Federn

Dämpfer, Räder, Bereifung usw.

Federn

Beitragvon Crazy Cow » 30. April 2013 13:29

Federn

In Wirklichkeit ist und bleibt es ein lästiges Thema, weil die veröffentlichten Daten der Hersteller sich auf Werte beziehen, die für das Fahrverhalten nicht unbedingt ausschlaggebend sind. (Federrate, tau1, tau2....) Und so verlässt man sich auf einen Anbieter, in der Hoffnung, dass der aus den laienhaften Äusserungen was sinnvolles heraushören und liefern kann.

Ich bin jetzt vor der Federauswahl erst mal den Weg gegangen, dass ich im Federrechner der Fa. Gutekunst alle Regler ausprobiert habe, die das Federverhalten bestimmen und zwar an den Federn, die bereits an meinem Gespann vebaut sind und an denen wie ich sie gerne hätte. Ist sehr zu empfehlen.

http://www.federnshop.com/Berechnung/Dr ... hnung.aspx

Im linken Feld den Button "nach Baumaß" anklicken, als Werkstoff "Federstahldraht EN 10270-1 DH (D)" aufrufen und die sorgsam vermessenen Werte der vorh. Feder eingeben. Man braucht nur einen für den Federdurchmesser und zwei für die Länge. Dazu Drahtdurchmesser und Anzahl der Windungen (alle Windungen zählen und zwei abziehen). Nach "Berechnen" erscheint ein Datenblatt, das zunächst mal eine verwirrende Fülle an Einzeldaten bietet, von denen aber einige besonders wichtig sind.

Im Bild unten (SideBike Kyrnos Federn vorn und Seite) sieht man schön die Federrate, die sich seltsamerweise kaum ändert, wenn man eine vollkommen unpassende Feder berechnen lässt. Gleiches gilt für die Spannungswerte tau unter "Statisch"

Bild

Die für das Fahrverhalten wichtigen Werte sind die Positionen unter "Kräfte", sie ändern sich, wenn die Vorspannung sich ändert, oder die Federlänge (beeinflusst durch Federdurchmesser und Anzahl der Windungen) oder der Drahtdurchmesser

F1 ist die Kraft die nötig ist, um das Fahrzeug im Stand auch nur ein Bisken ein zu federn. (Leeres Gespann mit Fahrer drauf sollte die Feder bereits ansprechen.) F2 ist die Kraft, die am Ende des Federweges auf die Feder wirkt. (Rechtskurve mit Schlagloch werden möglicherweise 75% des zul. Gesamtgewichtes als Federkraft pro Rad an der Zugmaschine benötigt, wobei die Länge des Anlenkhebels natürlich eine Rolle spielt.)

Was unter "Federwege" s1 (Vorspannung) eingetragen wird, kann ebenso den gewünschten negativen Federweg repräsentieren.

Gemeinerweise ist die Feder im Bild von SideBike theoretisch richtig gewählt, (Radlast vorn mit Fahrer ca. 140kg), sie spricht aber gefühlt so gut wie nicht an. Wäre sie mit dem gleichen Draht und der gleichen Drahtlänge enger gewickelt (Gesamthöhe z.B. 185), würde sie das, ohne das die Federrate sich ändert, denn sie baut nach 20 mm Einfedern bereits eine Tragkraft von 1375N, ca. 140kg auf, im Bereich unter 20mm würde das Rad auch bei leichten Unebenheiten schon einfedern. Und beim Neuberechnen einer Wunschfeder immer schauen,
dass der Wert F2 möglichst nicht kleiner wird, als bei der Originalfeder.

Hier noch eine Federmacheradresse jenseits von Öhlins, bei Gutekunst herrschen auch eher schwächere Federn vor:

http://www.nh-federn.de/de-produkte-druckfedern.html

Viel Spass bei der (Falsch-) eingabe, beim Klicken, Rechnen lassen und beim staunen. Ich habe das Programm auch benutzt um die Federn zu bestimmen, die ich noch liegen habe. Ist ganz schön, wenn man ihre Werte kennt.
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Re: Federn

Beitragvon Crazy Cow » 1. Mai 2013 13:21

Böhmische Dörfer?

Ja, vielleicht. Ich bin mit meiner Feder also unzufrieden, weil sie im Normalbetrieb kaum anspricht. Vermutung ist zuerst immer: sie ist zu hart. Ist sie aber nicht. Tatsächlich federt sie nicht, weil sie für die Anwendung zu weich ist, eine härtere Feder würde federn.

Huch?! Vazdazdenn? :roll: :oops:

Druckfedern lassen sich auch ganz einfach im Kopf berechnen. Das Federbein hat in diesem Falle einen Arbeitsweg von 50mm und soll an dessen Ende eine Tragkraft von 500kg, rd 5000N aufbauen.

Benötigt wird also eine 100er Feder mit einer vorgegebenen Baulänge von 180mm. (100N/mm x 50mm=5000N)
Verbaut ist aber nur eine 70er Feder mit einer Baulänge von 200mm.

Wie hängt das zusammen?

Die 70er Feder wird 20mm vorgespannt, so dass sich am Ende des in Anspruch genommenen Federweges (20+50mm) eine Tragkraft von immerhin 4900N ergibt (70N/mm x 70mm). Die werden ja auch tatsächlich gebraucht. Leider ist aber durch die Vorspannung eine Mindestauflast von > 1400N (70N/mm x 20mm) nötig um das Teil überhaupt in Bewegung zu setzen.

Die gewünschte 100er Feder bedarf aber bei 1mm Minimal-Vorspannung nur einer Auflast von 10kg, um mit der Arbeit zu beginnen und baut dann nach 14mm bereits die Tragkraft der 20mm vorgespannten 70er auf. Sie stellt dabei dem Fahrer einen komfortablen negativen Federweg von 25% zur Verfügung. Die härtere Feder weist also in diesem Fall tatsächlich ein deutlich weicheres Ansprechverhalten auf.

Das ist nicht in jedem Fall so und keineswegs beliebig steigerungsfähig! Es gibt auch Federbeine, die aufgrund ihrer Anlenkung eine 150er oder 200er Feder benötigen. Wenn die aber dann super funktionieren, ist die Einsicht mit der härteren Feder eben nicht auf andere übertragbar.

Odavaz?
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Re: Federn

Beitragvon LuFu » 3. Mai 2013 08:47

Hallo Olaf,

da spiele ich dann doch mal mit, damit's hier nicht so leer ist (und da ich witzigerweise das 'Gutekunst-Programm' vor einigen Jahren in gleicher Weise genutzt habe).

Du hast mutmasslich vorne am Kyrnos eine Feder mit 68,x N/mm. Ich nehme an, diese ist linear gewickelt?

Bliebe diesen Wert auf die Federrate am Rad umzurechnen (Ermittlung der Hebelverhältnisse)
Mein bevorzugte Ansatz:
Länge Federbein ausgefedert und Radstellung zu einem festen Rahmen-Bezugspunkt senkrecht darüber.
Länge Federbein maximal eingefedert und Radstellung in diesem Zustand.
Die Differenzen der beiden Werte in ihrem Verhältnis zueinander ergibt annähernd das mittlere Hebelverhältnis der Radaufhängung.

Ein paar Erfahrungswerte mit Strassengespannen und eher kurzen Federwegen:
Mir bekannte Federraten am Vorderrad variieren etwa von 40 N/mm (leichtes Einsitzer-Gespann) bis 65 N/mm (Zweisitzer mit großem Vierzylinder Tourer)

Da die Kyrnos Lenkung nach einer hohen Übersetzung aussieht, kann ich mir vorstellen, dass am Rad deutlich unter 50 N/mm ankommen. Dann ist aber voraussichtlich Deine Feder im Normalbetrieb schon recht stark vorgespannt und Du hast eher wenig negativen Federweg bei unbesetztem Motorrad.
(O.k. noch mehr böhmische Dörfer: Eine zu weiche Feder wird häufig stark vorgespannt, um bei hoher Last nicht zu tief einzufedern, durch diese hohe Vorspannung fühlt sich das ganze bei normaler Fahrt zu hart an, hast Du schön erklärt)

Olaf, it's your turn

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Re: Federn

Beitragvon Crazy Cow » 3. Mai 2013 09:49

Die Federübersetzung rechne ich einfach "Gemessener Radfederweg durch Arbeitshöhe Federbein" . Das Verhältnis beim Kyrnos ist so wie bei einer normalen Schwinge, nicht gravierend. War mir aber bisher nicht wichtig, weil das Rad bei 140kg Vorspannung eben nur bei Schlaglöchern anspricht. Das gemeine dabei ist, dass das Vorderrad vorher über den Reifen federt. Muss man beurteilen lernen, wenn man eine zu harte Feder fährt.

Ich hab dann auch mal angefangen zu basteln. War ganz witzig.
Im Seitenwagen ist das gleiche Federbein verbaut, nur anders angelenkt. Es ist 265 mm lang. Ich hatte mir zu "Studienzwecken" mal ein Billig Gasdruckfederbein für PIT Bikes und Quads besorgt, 280mm lang. Hätte ich beim 260er Federbein negativen Federweg vor gesehen, würde der SW zu sehr hängen. Das Side Bike Fahrwerk ist ja nicht verstellbar. Aber am Rande, war ne furchtbare Viecherei ohne Boot ab. Das Ding ist ja noch verbauter als ein Renault. 280mm passen gerade so rein, mehr geht nicht.

Die Pit Bike Feder war tatsächlich ne 150er, 12mm, 7 Windungen, 165 lang. Schien mir zu hart. (wäre aber nicht so gewesen) :)
Ich habe eine Stereo Gespannfeder gekürzt von 240 auf 165mm und dabei nach Programm eine 80er erhalten, aber im Gasdruckfederben eben bis zu 20 mm vorspannbar. Dann hab ich das teil etwas vorgespannt, eingebaut und mich mal auf die rechte Seite im SW gestellt, viel zu weich. Rad wieder ab, Vorspannung erhöht, fast bis ans Ende. Schien mir immer noch sehr weich, aber ich wollte der Theorie und dem Programm nicht unbedingt misstrauen.

Dafür macht man`s ja theoretisch, dass man nicht mit blutigen Fingern probieren muss. :)

Dann habe ich das Origiginal Federbein angeschaut und mich auf die Tunermethode besonnen. :D :D :D
Einen kleinen Bunsenbrenner angeworfen und im verspannten Zustand die 2. Windung stückweise partiell erhitzt, bis sie sich komplett an die obere angelegt hat. Steigerung: 8/7, also jetzt eine 80er Feder, 10mm vorgespannt. Hab sie dann ausgebaut und gebürstet, den Stoßdämfer gereinigt und foliert, er ist noch um Welten besser, als der im Vorderrad, hat ja auch nie was tun müssen.

Heute mal Sprühlack besorgen, morgen probefahren. Ist ein Gartenfest vor meiner Werkstatt angesagt, will ich nicht stören.

Der geneigte Leser wird merken: eine Beschreibung fehlt noch. Genau. Heimfahrt mit der neuen Feder im SW. Ein Genuss. Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht so wäre. Kein Gehoppel des SW Rades mehr. Die Feder spricht bei der geringsten Unebenheit an, hat aber durchgefedert theoretisch die gleiche Traglast wie die Org. Feder.
Gleich mal ein Stück Autobahn gefahren, 160, voll gut. Der SW lag wie ein Flieger, so wie sich das gehört und deutlich besser als das Vorderrad. Bis dahin hatte ich mit dem Reifendruck experimetieren müssen, um den Punkt des geringsten Gehoppels zu finden.

Mals schauen, ob ich morgen fertig werde, ab Sonntag bin ich erst mal 14 tage weg.
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Re: Federn

Beitragvon Crazy Cow » 3. Mai 2013 14:33

Bild
(oben) Vorräte aus der Moppedkiste

(unten) Kyrnos Feder mit angelegter Windung an Zink-Alu-Lack, am Schraubzwigengalgen zum sprühen und trocknen auf gehenkt.
Die Pickel auf den Windungen sind am Übergang von blankem Metall zum alten angeschliffenen Lack. Müsste normal noch zwischen geschliffen werden. Man kann sich auch ein Loch in die Kniescheibe bohren und nen heissen Käse durch schiessen.
Bild
vorher ca. 69N/mm, Länge 200, Vorspannung 20, Spannkraft 139N
nachher ca. 79N/mm, Länge 190, Vorspannung 10, Spannkraft 79N.

Die Differenz zur org. Spannkraft wird nach einem negativen Federweg von 7,5mm am Federbein erreicht, am Vorderrad etwa 10mm.

Theoretisch. :)

Ich werde wahrscheinlich noch die 150er Feder im SW verbauen. Nicht weil ich ein Sadist bin. Nein, die 50mm Arbeistshöhe des Federbeins verschaffen dem SW Rad einen Federweg von mehr als 80mm. Die Kiste hängt einfach zu weit rechts runter, wenn 1-2 Damen drin sitzen. Das lenkt dann schwer.
Und selbst die 150er Feder spricht ja mit 2mm Vorspannung bereits bei 30kg an.
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Re: Federn

Beitragvon Crazy Cow » 17. Mai 2013 12:43

Um das Thema zu einem Ende zu bringen:

ich habe vorgestern die gekürzte Feder mit dem Originalstossdämpfer an das Vorderrad gebaut und das SW Federbein mit der 150er Feder bestückt. Ist gut geworden.
Vorn macht es beim fahren kaum einen Unterschied, wie auch nicht anders beim Ändern der Federhärte von 70 auf 80 zu erwarten, aber das Rad spricht ob der geringeren Vorspannung viel früher und weicher an. Bei einem Schlagloch federt es aufgrund des jetzt vorh. negativen Federweges zuerst aus, dann ein. Keine Reaktion am Lenker, so wie es sein soll.
Der Seitenwagen federt natürlich genau so gut wie vorher, taucht aber schon bei z.B. 30-50kg Radlast ein und neigt sich nicht so stark in der Linkskurve. Für den Komfort, denke ich, ist es rel. unerheblich, ob die vorgegebene Höchstlast nach 50 oder 35mm Arbeitsweg erreicht wird. Der Radfederweg liegt noch bei 50mm.

Die Lehre daraus kann natürlich nicht sein, dass sich jeder mit physikalischen Rechenprogrammen auseinandersetzen muss, der mit dem Federverhalten seines Dreirades nicht zufrieden ist. Viel wichtiger scheint mir die Einsicht, dass eine Feder nicht wirklich zu hart sein kann, sondern dass das Dämpferelement die Möglichkeit bieten sollte, die Feder ungespannt ein zu bauen und hernach stufenlos zu verstellen.
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