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EU-Knöllchen

BeitragVerfasst: 12. Juli 2010 21:34
von Schrat
Wenn alles planmäßig läuft, kommt am 1. Oktober 2010 das „EU-Knöllchen“.
Dann können Bußgelder und sonstige Geldsanktionen aus dem EU-Ausland in Deutschland vollstreckt werden, beispielsweise über eine Gehaltspfändung.

Dies setzt zunächst voraus, dass das ausländische Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Der Fall wird also auf den Einspruch des Verkehrssünders in Deutschland nicht nochmals „aufgerollt“. Gleichwohl gibt es Gründe, mit denen „EU-Knöllchen“ erfolgreich angefochten werden können. Der ACE nennt schon jetzt die 10 wichtigsten.

1. Der Bescheid
Nur aus Bonn


Der Bescheid muss vom Bundesamt für Justiz in Bonn kommen. Zahlungsaufforderungen von Inkasso-Unternehmen braucht man dagegen nicht zu beachten. Hier handelt es sich lediglich um Mahnschreiben ohne behördlichen Charakter. Deshalb ist auch ein besonderer Einspruch oder eine Stellungnahme entbehrlich.

2. Die Unterlagen

Vollständigkeit unabdingbar

Die ausländische Stelle muss ihre „Hausaufgaben“ gemacht, insbesondere alle erforderlichen Unterlagen (Entscheidung, ausgefülltes und unterschriebenes Formblatt)
dem Bundesamt für Justiz vorgelegt haben.

3. Das Verfahren

Verständlich und auf Deutsch

Man muss über das im EU-Ausland anhängige Verfahren in verständlicher Form und in deutscher Sprache informiert und angemessen (über Rechte und Rechtsmittel) belehrt worden sein. Dies gilt insbesondere bei Durchführung eines schriftlichen Verfahrens. Wer also bisher gar nichts von einem gegen ihn anhängigen Verfahren wusste, sollte sich unbedingt wehren.

4. Die Form

Die Entscheidung mit Beiblatt
Dem Anhörungsschreiben des Bundesamts für Justiz an den Betroffenen muss die zu vollstreckende Entscheidung und ein Beiblatt (in deutscher Sprache) beigefügt sein, das alle wesentlichen Angaben zur Anwendbarkeit der EU-Vollstreckung enthält.

5. Die Geldsanktionen

Nur über 70,00 EUR

Entscheidungen unter 70,00 EUR werden nicht vollstreckt. Unklar ist noch, ob insoweit nur das Bußgeld oder auch die Verfahrenskosten zählen, die bei einem deutschen Bußgeldbescheid zwischen 20,00 EUR und 25,0 EUR ausmachen, im Ausland vielfach mehr.

6. Der Umfang

Nur Verstöße gegen Verkehrsregeln

Es muss sich um Verstöße gegen Verkehrsregeln und Regelungen zum Schutz von Verkehrsanlagen handeln. Eine Beleidigung im Straßenverkehr darf also nicht grenzüberschreitend vollstreckt werden, auch wenn sie im Straßenverkehr begangen wurde.

7. Der Fahrzeughalter oder Fahrer

Nur als Fahrer

Wird man als Fahrzeughalter belangt, ohne Rücksicht darauf, ob man zur Tatzeit der Fahrer war oder nicht, sollte man auf jeden Fall Einspruch einlegen. Dies verstößt eindeutig gegen unser Grundgesetz und die darin verankerte rechtsstaatliche Grundordnung: Deutschland kennt, im Unterschied zu anderen EU-Staaten, nur eine Halter-Kostenhaftung und auch die nur für den Bereich des ruhenden Verkehrs.

8. Die Verfahrenskosten

Strenge Regeln

Verfahrenskosten dürfen nur beigetrieben werden, wenn sie „neben einer Geldbuße oder Geldstrafe“ auferlegt wurde, also z.B. nicht Geldauflagen im Zusammenhang mit einer Verfahrenseinstellung.

9. Die Vollstreckung


Vollstreckungsmaßnahmen


Eine Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen muss erst vom Amtsgericht bewilligt werden, z.B. Geldsanktionen gegen Jugendliche oder Heranwachsende oder neben der Strafe auferlegte Entschädigungszahlungen an Opfer oder Organisationen zur Unterstützung von Opfern (ist in einigen Ländern üblich). Am Bewilligungsverfahren ist der Betroffene zu beteiligen.

10. Der Einspruch

Ihre Möglichkeiten

Unter bestimmten Umständen kann man sich auf die Verjährung nach deutschem Recht berufen. Diese und andere Einwendungen kann man in einem gesetzlich geregelten Einspruchsverfahren vor dem Amtsgericht seines Wohnsitzes geltend machen. Daneben gibt es in besonderen Fällen das gerichtliche Bewilligungsverfahren. Wie im Bußgeldverfahren ist der Einspruch binnen zwei Wochen bei der zuständigen Behörde einzulegen, die ihm abhelfen kann und andernfalls die Akten an das zuständige Gericht weiterleitet. Gegen das Urteil des Amtsrichters ist nur die Rechtsbeschwerde zulässig, die vom Beschwerdegericht zugelassen werden muss.