Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Alle Fragen, die den Motorradumbau zum Gespann betreffen

Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Beitragvon anjasbruder » 21. Februar 2024 18:44

Der lange Weg zum Gespann.

Ohne etwas Bestimmtes zu suchen , stöberte ich bei Mobile.de herum und stieß durch Zufall auf einen original Beiwagen von Harley-Davidson, der sofort mein Interesse erregte. Ich kann eigentlich gar nicht mehr sagen wieso und warum, aber ich wollte das Teil unbedingt haben. Ich hatte dann mit dem Verkäufer einige Mails geschrieben und später auch telefoniert. Und so bin ich am 13.08.2016 morgens um 8 Uhr die 540 km nach Gelnhausen in die Nähe von Frankfurt gefahren, habe mit dem Verkäufer den Beiwagen auf den Hänger geladen und bin dann wieder zurück gefahren. Um 23 Uhr, nach 1080 km, war ich dann wieder zu Hause.

Die nächsten Tagen habe ich einen Ständer mit Rollen gebaut, der es möglich machte den Beiwagen in waagerechter Position mit geringstem Kraftaufwand, in der Garage zu rangieren. Nun konnte der Rahmen (vorerst ohne das Boot) gereinigt werden. Zur Zwischenlagerung wurde das Boot in der Garage mit Zurrgurten unter die Decke gehängt. Nach der Reinigung des Rahmens, wurde nun eine to doo-Liste geschrieben.

Meine wichtigste Frage betraf den Anschluß der Beiwagenbremse an das Motorrad und so wandte ich mich im Internet ans TwinCam-Forum. Meine Fragen wurden umgehend beantwortet und so knüpfte ich den ersten Kontakt zum örtlichen TÜV. Dort trug ich mein Anliegen vor. Der Mann an der Reception meinte, dass der dafür zuständige Meister nicht im Hause war. Ich solle meine Telefonnummer für seinen Rückruf da lassen. Drei Tage später klingelte das Telefon. Der nette Herr vom TÜV rief zurück und ich erzählte kurz von meinem Vorhaben . Ich gab Ihm die Eckdaten durch und er meinte nur, wenn der Beiwagen auch von Harley sei und ich ein Schreiben von Harley-Davidson beibringen kann, das dieser Beiwagen mit diesem Motorrad gefahren werden kann, dann sei alles überhaupt kein Problem.
Auch die Anbindung des Beiwagens mit der Trommelbremse an das Bremssystem mit den Scheibenbremsen der Road-King bereitet nach seiner Aussage überhaupt keine Schwierigkeiten. Schließlich weiß man bei einem solchen Projekt erst nach der Montage und einer Probefahrt, ob irgendwelche Änderungen und Anpassungen erforderlich werden. Zum Schluss meinte er noch, dass ev. ein verstellbarer Bremskraftverteiler in den Strang der Beiwagenbremse eingebaut werden müsse. Das aber würde sich dann bei der Abnahme zeigen. Wir besprachen den weiteren Ablauf und so konnte ich mich an die nächsten Schritte zur Vorbereitung machen.

Nun schrieb ich eine Mail an HD Deutschland und bat darum mir eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu schicken, die bestätigt, dass dieser Beiwagen an dieses Motorrad montiert werden kann. Außerdem bat ich um eine Montageanleitung in deutscher Sprache und um einen Prospekt über Zubehör und Ersatzteile.

Inzwischen bekam ich von " huetti" aus dem TwinCam-Forum, den Tip mich doch mit dem Gespannbauer Peter Sauer in Verbindung zu setzen, um die vielen Fragezeichen zu beseitigen. So hab ich mich an einem Samstag, nach vorheriger Absprache, auf den Weg zu Peter gemacht. Seine Werkstatt ist absolut beeindruckend und es standen dort viele Beiwagen, fertige Gespanne und auch Motorräder aus denen gerade Gespanne gebaut wurden. Es wurde frischer Kaffee angeboten und auch ein Blech mit frisch gebackenem Pflaumenkuchen stand bereit. Peter hat sich wirklich Zeit genommen um mir seine Heiligen Hallen und die vielen Spielsachen zu zeigen. Elsbeth hat zum besseren Verständnis bei Fragen zu Details diverse Ausdrucke mit dem PC angefertigt.

So trug ich mein Anliegen vor. Während unseres Gespräches wurde mir mit jeder Minute immer klarer, dass ich da ein Wahnsinns-Projekt angefangen war. Da wurde von Scheibenrädern und Autoreifen gesprochen, Vorlauf und Sturz, Federung, Hilfsrahmen und Streben. Wir sprachen über das Zusammenspiel der Trommelbremse vom Beiwagen mit der Scheibenbremse vom Motorrad. Über das Bremsverhalten und noch vieles mehr. Und so nach und nach wurde mein Vorhaben, mal so eben schnell nen Beiwagen ranbauen und ab die Post, zerbröselt.


Mir wurde Respekt vor diesen Konstruktionen vermittelt und mir wurde klar, dass ich mich mehr in diese Thematik vertiefen muß. Nun musste ich im Kopf erst mal einen Schritt zurück machen und versuchen alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten um alles neu zu überdenken.

Auf dem Heimweg wurden die nächsten Schritte durchdacht und so habe ich mich dann dazu entschlossen den bis jetzt gegangenen Weg weiter zu gehen. Im nächsten Frühjahr würde ich an einem Gespannlehrgang bei Peter Sauer teil nehmen. Die Saison 2017 würde ich noch weiter mit der Solo-Maschine fahren. Nicht nur aus Kostengründen, würde ich im Laufe der Saison 2017 dann selber den Beiwagen ans Motorrad bauen und dem TÜV vorführen. Bis dahin wollte ich sondieren welche Teile ich noch benötige und besorgen muß. Mir war klar, dass ich nach Fertigstellung ein Gespann fahre, welches mit der Technik der 1910-er Jahre mir alles an Aufmerksamkeit und wohl auch Kondition abfordert. Aber Tausende anderer Harley-Fahrer treiben mit gleiche Technik erfolgreich ihr Gespann in den Sonnenuntergang. Verbesserungen wären später natürlich möglich bis hin zum kompletten Austausch des Seitenwagens und auch der Maschine. Diese Gedanken mache ich mir aber erst wenn es soweit ist.

Ca .10 Tage nachdem ich die Mail zu Harley-Davidson geschickt hatte, bekam ich einen Rückruf von Harley. Mir wurde mitgeteilt, dass ich für die Zulassung ein COC Datenblatt benötigen würde. Ansonsten wurde mir mit netter aber bestimmter Stimme mitgeteilt, das man mir von dieser Stelle nicht helfen könne, aber ich soll mich an einen freundlichen Vertragshändler wenden, der mir sicherlich weiter helfen kann. Nun war ich erst recht verunsichert und überlegte mir den nächsten Schritt. Da ich mich bei meinem bisherigen Dealer nicht richtig aufgehoben fühlte, hatte ich schon seit längerer Zeit meine Ohren aufgesperrt und so wurde mir irgendwann zugetragen das der Händler in Kiel wohl genau der ist, den ich suche.

So machte ich mich an einem Mittwoch Nachmittag Mitte September mit dem Moped auf die Reise nach Kiel. Es war eine schöne Tour bei sonnigen 23 °C. Und dank meines Navi wurde der Laden auch ohne Probleme gefunden. Ich wurde freundlich begrüßt und nachdem ich mein Anliegen vorgetragen habe, hatte ich binnen kurzer Zeit zwei nette Leute an meiner Seite. Die stöberten für mich die Unterlagen durch. Zu guter lezt wurde mir dann mitgeteilt dass es überhaupt kein Problem gibt. So besprachen wir das ich den Beiwagen selber montiere und ausrichte. Die nötigen Teile die ich zum Anschluß der Bremse benötige würde ich dort bekommen können. Wenn alles montiert und eingestellt ist, fahre ich das Gespann zum Freundlichen nach Kiel um dort die Abnahme durch den TÜV machen zu lassen. Und das war genau der Weg den ich mir vorgestellt hatte.

An den darauf folgenden Tagen habe ich mich etwas näher mit dem Anschluß der Elektrik befasst. Ich hatte mir schon immer vorgenommen alle Veränderungen am Motorrad niemals an den originalen Teilen des Motorrades durchzuführen. Es wurde stets ein baugleiches Teil gekauft und dieses dann entsprechend angepasst, abgeändert und dann montiert. So habe ich immer die Möglichkeit den Originalzustand wieder herzustellen. Für den Anschluß des Beiwagens habe ich bei Thunderbike einen kleinen Kabelbaum-Adapter gefunden der eigentlich für Sportster gedacht ist. Der Kabelbaum hat die nötigen Stecker und Kupplung um ihn an meiner Road-King hinter dem Sattel zwischen dem abgehenden Kabelbaum zum Rücklicht stecken zu können. An diesem zwischengestecktem Kabelbaum kann ich nun die Adern der Elektrik vom Beiwagen anlöten. Somit ist die Trennung des Beiwagens vom Motorrad durch einfaches ziehen des Steckers möglich.

Am 01.04.2017 habe ich dann meine Road-King zur Inspektion und TÜV zum Dealer nach Kiel gefahren und dort nochmals mein Beiwagenanliegen angesprochen. Dort überraschte man mich nun mit Zurückhaltung gegenüber meines Vorhabens. Mir wurde gesagt, dass ein solches Vorhaben heutzutage kaum noch umzusetzen ist. Wenn ich keine TÜV-Unterlagen für den Beiwagen hätte. Schließlich gäbe es in Schleswig-Holstein nur noch einen alten TÜV-er in Rendsburg der noch solche Vorhaben unterstützen würde und der stehe kurz vor der Rente und so bliebe mir auch nicht mehr viel Zeit.

Ich war mal wieder total verunsichert und auch ein wenig sauer. Erst wurden Hoffnungen in mir geweckt und nun tat man so als ob es fast unmöglich ist mir zu helfen.

Was sollte ich denn nun mit diesen neuen Informationen anfangen. Ich hab also erstmal eine Nacht drüber geschlafen und machte mich im Internet auf die Suche nach anderer Hilfe.

Kurze Zeit später hatte ich mich mit dem TÜV-ler aus meinem Heimatort bei mir verabredet und so wurde abgemacht, dass ich den netten Herrn am Dienstag kurz vor Feierabend bei seiner Dienststelle abhole und wir zu mir in die Garage fahren. Dort haben wir uns gemeinsam mein Vorhaben angesehen und alle meine Fragen wurden verständlich beantwortet. Es ist eigentlich alles ganz einfach. Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen, Beiwagen ran, Bremse verbinden, die rechten Blinker der Maschine abdecken und fertig. Der nette Gutachter sagte mir dann noch, wann er Urlaub hat, und wir verblieben so, dass ich mich vor der Abnahme mit ihm wegen eines Termins abspreche.

Parallel dazu hatte ich bei Harley Kiel nach einem Schriftstück gefragt welches die gewünschte Konstellation bedenkenlos bescheinigt. Nach ca. einer Woche hat sich Harley-Kiel mit einer Kopie der Rückantwort von Harley Deutschland per Mail gemeldet und dort stand das Harley Deutschland für die Montage keine Unbedenklichkeit bescheinigen kann, da für die Touring-Modelle ab BJ 2000 die Montage eines Beiwagens nicht homologisiert wurde. (nicht vorgesehen und daher nicht geprüft)

Ich war überrascht und habe gleich am nächsten Tag mit dem TÜV-er telefoniert und der lehnte nun eine Abnahme kategorisch ab. Da nach den neuen EU-Richtlinien ein nun gebautes Gespann als Neufahrzeug gilt, daher müssen alle Werte und Angaben des neuen Gespannes (zB. auch des Motors) den aktuellen Vorschriften des Baujahres des Gespannes erfüllen. Mein Motor könnte diese Werte niemals erfüllen daher wäre eine Einzelabnahme nicht möglich.

Ich habe daraufhin zwei Abende im Internet gesucht und bin auf die Internetseite eines Gespannbauers in Niedersachsen gestoßen. Dort wird die Montage von neuen Beiwagen zum Festpreis angeboten und es stand dort zu lesen das auch eigene vorhandene Seitenwagen zur Montage und Abnahme gebracht werden können. Ein Anruf hat meine Fragen geklärt und so war die Sache eigentlich beschlossen. Auf eine Mail von mir mit Bildern der Maschine dem Beiwagen und der Anschlußstücke, meldete sich die Firma zurück und nannte seinen Preis. Ich war über die Höhe etwas überrascht und versuchte mir selber zu erklären was denn so teuer wäre zumal ich ja fast alles selber machen wollte.

Ich war mal wieder verunsichert und nahm mir vor an diesem Wochenende erst mal den Gespannlehrgang bei Peter Sauer zu besuchen. Dort hätte ich genug Zeit in Ruhe mit Peter zu sprechen um Ihn ev. die gewünschten Abnahme durchführen zu lassen.

So fuhr ich an einem Freitag bei Regen mit der Road-King los und kam im Trockenen in Kappeln an. Im Hotel wurde das Zimmer bezogen, noch schnell geduscht und ab zum Treffpunkt wo das gemeinsame Abendessen statt fand. Es waren alles nette Leute da und die Stimmung war gut. Als etwas später einer der letzten Kursteilnehmen eintraf , fragte er in die Runde wem denn die Harley auf dem Parkplatz beim Hotel gehöre ,da die Alarmanlage ständig piept. Forschen Schrittes und etwas aus der Puste erreichte ich den Parkplatz und schaltete die Alarmanlage nun auf den Transportmodus. Der Abend war noch lang und sehr informativ. Irgendwann ging es zu Bett und ich war gespannt auf das was da am nächsten Tag kommen sollte.

Um 6 Uhr 50 meldete sich der Wecker in meinem Handy, ich weckte wie abgemacht einen Kollegen im Nebenzimmer und ging dann duschen. Nach dem Frühstück fuhren wir dann geschlossen zu Peter in die Werkstatt. Dort trafen noch weitere Teilnehmer ein und nach einer kurzen Besichtigung und Ansprache ging es zum Fahren auf einen abgesperrten Parkplatz.


Dort wurden uns unsere Instruktoren vorgestellt und wir bekamen genügend Inputt um ausreichend Respekt vor dem zu bekommen was wir vor hatten. Es wurden uns verschiedenste Gespanne zur Verfügung gestellt und wenn ich ehrlich bin, wuchsen die Berührungsängste mit jeder Minute. Da standen Gespanne mit Achsschenkellenkung oder auch Gespanne mit angepasstem Nachlauf. Es gab auch welche mit ungebremsten Beiwagen oder auch gebremsten Beiwagen über entweder die Handbremse oder Fußbremse, oder auch kombiniert. Auch ein MZ-Gespann von dem man sagte ,wer das fahren kann, kann alles fahren. Das war natürlich was für mich denn ich wollte für alles gewappnet sein und da war die MZ genau richtig. Einige Teilnehmer reisten mit dem eigenem Gespann an und so war den ganzen Tag viel Bewegung auf dem Platz. Einige Übungen waren absolut Respekt einflößend. Ich hoffte innerlich, dass ich garnicht erst in diese Situation geraten möchte um das Erlernte anwenden zu müssen. Der Sonntag war eben so spannend wie der Samstag und so wurden wir am Nachmittag mit guten Tips und reichlichen Eindrücken wieder verabschiedet. Die Rückreise wurde mit schönstem Sonnenschein gekrönt und mein Ziel erschien wieder in erreichbarer Nähe

Ich hatte immer noch die hohen Kosten für den Anschluß mit der TÜV-Abnahme im Kopf und hab daraufhin mit Peter Sauer und Elsbeth Kontakt aufgenommen. Schließlich sind wir so verblieben, dass Peter nach Aufwand die nötigen Arbeiten durchführt. Um die Kosten niedrig zu halten, wollte ich dann so viele Arbeiten wie möglich selber machen.

Ich demontierte beide Auspufftöpfe und alle Hitzeschutzbleche der Krümmeranlage. Die Krümmeranlage wurde gelöst und der hintere rechte Montagehalter für den Beiwagen konnte montiert werden. Für die drei Montagelöcher des Halters waren aber nur zwei Löcher für die Schrauben vorhanden. Daher wurde der Halter auch nur mit den zwei Schrauben befestigt. Bei der Montage des vorderen unteren Halters bemerkte ich, dass die Bremspumpe der Fußbremse komplett eine Einheit mit dem Bremsflüssigkeitsbehälter war. Genau dieser Behälter befand sich an eben der Stelle wo der untere Halter montiert werden sollte.

Auf der Suche nach einer Lösung entdeckte ich bei ebay in den USA eine passende Bremspumpe mit separatem Bremsflüssigkeitsbehälter und Verbindungsschlauch. Zufälligerweise war das Spendermotorrad ein Road-King Gespann Baujahr 2000 mit original Beiwagen, also so ziemlich genau Baugleich wie mein aktuelles Projekt. So ersteigerte ich die benötigten Teile in der Gewissheit das alles passen wird. Es dauerte auch nicht lange und die Teile wurden per Post geliefert. Da ich in Internetforen in den USA gelesen hatte, dass es wohl mit den original Beiwagen manchmal nötig sei einen kürzeren Fußbremshebel zu montieren , habe ich auch diesen bei ebay jedoch in Deutschland gefunden und gekauft. Nun wurde die neue Pumpe mit allen nötigen Teilen ersetzt und es konnte der untere vordere Halter montiert werden. Jetzt konnte ich den Beiwagen an das Motorrad schrauben und den oberen Halter unter dem Lenkkopf montieren. Alle Schmiernippel der Halter wurden neu gefettet und nun der neue bereits von mir vorbereitete Kabelbaum eingesetzt.

Die Birnen der rechten Seite vom Motorrad habe ich entfernt auch das Birnchen der Kellermann-Ochsenaugen. Doch nun bemerkte ich das die Blinkerfrequenz der rechten Seite , also vom Beiwagen viel zu hoch war und mir war sofort klar, dass es mit der Leistung der Glühbirnen zusammen hängen muß. Ich konnte mir nur nicht erklären warum. Denn ich hatte lediglich die selbe Leistung, die original am Motorrad rechts verbaut war, nun nur durch längere Leitung noch weiter rechts am Beiwagen montiert.

Abhilfe brachte eine zusätzliche Birne die ich hinten rechts in den Blinker des Motorrades wieder eingesetzt habe. Da ich die rechen Blinkerkappen vom Motorrad vorne und hinten mattschwarz lackiert hatte, fiel es überhaupt nicht auf, dass der Blinker nun doch noch aktiv war. Ich würde mich aber noch mal um das Problem kümmern sobald der Segen des TÜVs mir freie Fahrt gewährt hat.

Jetzt wurde die Rahmengeometrie vermessen und eingestellt. Im habe die Maße des Vorlaufes von 2,5 cm vom Vorbesitzer übernommen. Lediglich den Sturz habe ich durch ständiges Probieren und Ausloten angepasst. Die ersten Fahrten werden mir zeigen ob ich noch weitere Anpassungen vornehmen muß.

Nun fehlte noch die neue Bremsleitung von der neuen Bremspumpe zur Trommelbremse des Beiwagens. Ich schickte also die alte Bremsleitung mit genauer Beschreibung zu meinem Freund Erwin der mir bei seinem Schrauber die nötige Leitung bestellt hat. Die Leitung wurde dann extra für mich in der gewünschten Konstellation und Länge mit Zertifikat für den TÜV angefertigt und geschickt.

Die anschließende Montage ging mir schnell von der Hand und mein Freund Mike hat mir dann bei der Entlüftung und der Einstellung vom Sturz geholfen, da einer alleine einfach zu kurze Arme hat.

Nun wurde mit Peter Sauer ein Termin abgemacht an dem ich das Gespann zur Eintragung bringen konnte. Als ich bei meiner Hauswerkstatt die sonst mein PKW repariert nach der Roten Nummer fragte wurde mir gesagt, das die Nummer bereits an diesen Datum vergeben war. Als ich daraufhin durch meine Werkstatt ein Kurzzeitkennzeichen beantragen wollte, teilte man mir einen Tag vor der Überführung mit, dass der Kreis die Zuteilung verweigerte mit der Begründung das ja kein Besitzerwechsel und daher eine Überführung zu einem neuen Halterstandort nicht statt fand. Es sei mir ja erlaubt mit dem Motorrad und dem Beiwagen auf direktem Weg zum TÜV zu fahren.

Tja da aber der hiesige TÜV sich nicht in der Lage sieht eine Abnahme durchzuführen, muß ich über 100 km an die andere Küste des Landes fahren und dazu den Landkreis verlassen. Was wäre wenn ich dann in eine Polizeikontrolle geraten würde?

Und da war sie wieder meine Wut über die unsinnigen Regulierungen. Ich war und bin noch immer sowas von geladen das ich mich noch immer darüber aufrege wenn ich nur diese Zeilen lese.

Also bin ich am Abend vor der Überführung die ersten 30 km mit dem Gespann gefahren und war total geflasht. Ich bemerkte eine beängstigende Dynamik im Rahmen . Da bei jeder Bodenwelle Bewegung in der Verbindung zwischen dem Rahmen des Beiwagens und dem Rahmen des Motorrades herrschte. Dieses war besonders mit dem rechten Fuß zu spüren, wenn ich die Hacke auf mein Trittbrett und den Rest des Fußes auf das Anschlußrohr vom Beiwagen legte. Sicherlich wurde die Bewegung dadurch unterstützt das die unteren Anschlußpunkte die Kugelanschlüsse waren die diese Bewegungen erlaubten. Ich hatte mich bereits dazu entschlossen einen vierten Anschlußpunkt durch Peter herstellen zu lassen. So fühlte ich mich nun in meinem Plan dazu absolut bestätigt. Am Abend nach der Probefahrt habe ich dann noch alle Schraubverbindungen kontrolliert und nachgezogen.

Am folgenden Tag ging die Fahrt gegen 12 Uhr 30 los. Das Wetter war grau in grau bei ca. 17 °C. Es ging 100 km über Land Richtung Brodersby. Zwischenzeitlich fing es an zu regnen, so dass mehrere Male die Hinterrad- und Beiwagen-Bremse blockierten. Auch drehte das Hinterrad auf nasser Straße schnell durch und dadurch brach dann das Heck der Maschine in den Kurven manchmal aus. Ich erklärte mir dieses Phänomen dadurch, dass das gesamte Gewicht nun auf drei statt zwei Rädern verteilt war und trotz des zusätzlichen Gewichtes des Beiwagens nun auf dem Hinterrad weniger Last lag so das der Andruck auf die Straße geringer war. Ich hatte das Gefühl das alles was ich in meiner 35 jährigen Erfahrung auf dem Motorrad erlernt und in wahrsten Sinne erfahren hatte ,nicht mehr stimmt,. Die Erfahrung von über 250.000 km auf zwei Rädern hatten nun keine Bedeutung mehr.

Nach ca. 15 km bestand ich meine erste Prüfung. Eine lang gezogene Rechtskurve wurde am Ende etwas enger und so hatte ich den Eindruck das der Beiwagen abhob, die Fliehkraft drückte das Gespann nach Außen und so kam ich dem Mittelstreifen immer näher. Ich hatte Angst völlig die Kontrolle zu verlieren und gerade jetzt bemerkte ich ein entgegenkommendes Auto. Ich erinnerte mich an die Eier die ich hatte und drückte den Lenker einfach mehr rüber so das ich die Kurve noch enger nahm. Es stellte sich heraus das der Beiwagen nicht abgehoben hatte und mir mein Gleichgewichtssinn nur Alarmsignale gesendet hatte. Denn Schräglage war ja nun nicht mehr möglich. Man saß ja jetzt wie auf einem Klosett mit Lenker.

Während der Fahrt versuchte ich mich mit mit der Dynamik anzufreunden . Nach ca. 50 km hielt ich an, da ich das Gefühl hatte, das der eingestellte Sturz immer größer wurde. Und tatsächlich stellte sich heraus das sich die Befestigungsschraube des vorderen oberen Anschlußpunktes unter dem Lenkkopf gelöst hatte. Birgit fuhr das Servicar und so hatte ich bereits vor der Abfahrt mit einem Zoll-Knarrenkasten und diversen anderem Werkzeug vorgesorgt. Die Schraube war schnell wieder fest und so saß ich für die nächsten km wieder sicher im Sattel.

Wir fuhren weiter über Land und trafen nach ca. 2 Stunden bei Elsbeth und Peter ein. Anschließend wurde besprochen was gemacht werden sollte und so ließ ich das Objekt meiner Begierde in Brodersby und hoffte auf ein baldiges Wiedersehen.

Im Nachhinein betrachtet muß ich zugeben das ich diese Tour nicht angepasst gefahren bin sondern versucht habe manchmal die Grenzen auszutesten. Nach dieser Erkenntnis habe ich mir vorgenommen das ich diese ganze Sache genau so angehen muß als ob ich gerade meinen Führerschein gemacht habe. Ich hoffe das ich genügend Demut in mir trage um am Ende als Gewinner aus dieser Aufgabe hervorzugehen.

Der nächste Tag ohne mein Motorrad zeigte mir das ich von einem lockeren Fahren noch sehr weit entfernt war ,denn ich hatte Muskelkater im Bauch und Rücken und auch die Ober und Unterarme spürte ich ein wenig.

Nun rief mich Peter ab und zu an um einige Fragen zu klären und es wurde mir dadurch absolut bestätigt das ich bei ihm genau richtig war. Ich wußte mein Motorrad in guten Händen und fühlte mich in meinen Entscheidungen bestätigt.

Am 07.10.17 war es schließlich so weit und wir fuhren zu Müller Gespanne . Gegen 13 Uhr kamen wir an und ich konnte es kaum erwarten das Ergebnis zu sehen.
Es wurde die Trommelbremse vom Beiwagen nun mit über die Handbremse betätigt damit das Gespann beim Bremsen nicht mehr so arg zur Seite zieht. Zusätzlich wurde ein Ventil in die Bremsleitung zum Beiwagen gesetzt um je nach Beladung die Bremskraft anpassen zu können. Auch wurde die Stahlflex-Bremsleitung vom Beiwagen über ein Schnellverschluß angeschlossen so das ohne das Bremssystem zu öffnen ein Entlüften nach dem Abtrennen und wieder Verbinden der Leitung nicht nötig ist. Zusätzlich wurde ein vierter Anschlußpunkt am Rahmen hergestellt so das die wackelige Eierei des Beiwagens vorbei war. Zudem hatte der untere hintere Anschluß drei Haltelöcher zur Befestigung am Motorrad, doch am Rahmen fehlte ein Befestigungsloch der bei den Rahmen der 1997-er Maschinen wohl noch vorhanden war. Daher wurde die fehlende Öse nun an den Rahmen geschweißt. Da der Hinterreifen fast runter war, gab es hinten einen neuen Reifen mit einer geraden Lauffläche als Antriebsrad. Die nun gerade Lauffläche versprach eine lange Lebensdauer. Zusätzlich wurde der Lenkungsdämpfer erneuert, da Peter eine Beschädigung am vorhandenen Dämpfer feststellte.

Die anschließende zweistündige Rückreise wurde durch ständigen Dauerregen begleitet und trotzdem hatte ich großen Spaß an der Tour. Das bisherige Flattern des Lenkers war weg und die Bewegung im Rahmen trat Dank der vierten Strebe nicht mehr auf. Die Verzögerung durch die Handbremse zeigte bei der Betätigung einen super Geradeauslauf. Die Fußbremse betätigte nun nur noch den Hinterreifen. Da ich bei der Montage der neuen Bremspumpe ein kürzeres Pedal eingesetzt hatte, war ein höherer Druck notwendig um eine aggressive Verzögerung zu erreichen. Der alte längere Hebel hätte aber Probleme bereitet da dann bei schnellen Bremsungen der Fuß erst den Weg vorbei an der Strebe vom Beiwagen finden muß. So war das kürzere Pedal letztendlich doch der schnellere Weg zum Bremsen. Nach ca. zwei Stunden waren wir wieder zu Hause und ich war happy und hatte nasse Füße, einen nassen Hintern und auch feuchte Hände. Eine heiße Dusche verschaffte Abhilfe und erst als ich danach wieder in die Garage ging wurde mir so langsam klar das ich mein Ziel endlich nach ca. 1 1/4 Jahren geschafft hatte. Ich habe viel gelesen und versucht an die nötigen Informationen zu gelangen. Ich habe fast alles selber gemacht und auch verstanden was ich da tue. Und nun wo das Ziel erreicht ist mache ich mir schon wieder Gedanken über Verbesserungen und Veränderungen, aber wir wissen ja alle,
A BIKER´S WORK IS NEVER DONE

Gruß Dierk
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Re: Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Beitragvon Sejerlänner Jong » 21. Februar 2024 19:53

Hallo Dierk

Das hast du schön geschrieben!

Grüße Karsten
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Re: Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Beitragvon MichaelM » 22. Februar 2024 08:11

Exzellent :!:

Aber nun verraten uns bitte mal 2 Eckdaten.
Nämlich die Baujahre von Maschine und Seitenwagen :mrgreen:
MichaelM
 
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Re: Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Beitragvon lobo59 » 22. Februar 2024 19:58

Hallo Dierk,
1 1/4 Jahr bis zur vollständigen Fertigstellung ist schon ne Ansage, da bin ich doch froh dass ich diesen mühsamen Weg nicht gegangen bin und mir stattdessen ein fertiges-wenn auch arg gebrauchtes gespann geholt habe.
Viele Grüße Wolf
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Re: Entstehungsgeschichte vom Zweirad zum Gespann

Beitragvon anjasbruder » 23. Februar 2024 13:36

Hallo in die Runde,

das Motorrad ist eine Harley-Davidson FLH Road-King Bj. 2002

der Beiwagen ist ein Harley-Davidson TLE Bj. 1989

Seit der Montage des Beiwagens bin ich mit dem Gespann 23.000 km gefahren

Es wurde inzwischen ein Rückwärtsgang und eine Nachlaufverkürzung eingebaut.
und viele kleinere Veränderungen durchgeführt.

Es war mir wichtig so viel wie möglich selber zu ,machen damit ich mir im Notfall selber helfen kann. Inzwischen war ich mit dem Gespann in Schweden, Finnland und Polen.

und in diesem Jahr geht es nach Tschechien.

Gruß Dierk
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