Lesestoff - Das Morgenland ist weit

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Lesestoff - Das Morgenland ist weit

Beitragvon Crazy Cow » 30. April 2011 10:43

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Oss Kröher - Das Morgenland ist weit



Im Frühjahr 1951 beginnen Oss Kröher und Gustav Pfirrmann ihre lange Reise, die den Autor nach 16 Monaten nach Deutschland zurückführt und ihn erst 45 Jahre später veranlasst, ein Buch darüber zu schreiben. Nun ist es nicht so, dass die Erinnerung einen melancholischen Schleier über das Erlebte decken muss, zumindest hat der Leser nicht den Eindruck, denn natürlich kann der Autor auf seine Aufzeichnungen und die Reiseberichte seines Gefährten Gustav zurückgreifen, die aktuell in der pfälzischen Lokalpresse erschienen waren.
Der Umstand, dass sie sich ausgerechnet mit einem Motorradgespann auf die Reise machten, hing weniger mit einer diesbezüglichen Vernarrtheit zusammen, als mehr mit der Armut und der Mangelwirtschaft im Deutschland der Nachkriegsjahre. Entsprechend ist ihre Ausrüstung und ihr Gepäck auch dem möglichen Broterwerb während und für die Finanzierung der Reise dem für uns heute typischen Sicherheitsbedürfnis vorangestellt. Ihr Fahrzeug, die "Cora", ist eine 12PS Einzylinder NSU 600 von 1929 mit Seitenwagen, der ausser Proviant, Zelt und Feldbetten auch Musikinstrumente, Künstlerrequsite und Ausgehgarderobe zu bergen hat. Das Gespann steht übrigens (hoffentlich immer noch) im Zweiradmuseum Neckarsulm.

Gustav fährt und Oss findet als Diplomat, Organisator und Koch der kleinen Reisegesellschaft seinen Platz auf dem Soziussitz der NSU, der typischen Warte, die einem den Überblick verschafft. Da er sich nicht auf´s Fahren und Reparieren konzentrieren muss, findet er ewig Zeit zwischen den Zielen - der Weg stand dabei nicht immer im Vordergrund der Leidenschaft - sich über Land und Leute, Historisches und Kulturelles Gedanken zu machen, dies auch ausgiebig referierend und zitierend. Er ist dabei ein großartiger Beobachter und Beschreiber, nachhaltig und präzis, so dass man als Leser schon während der Fahrt eine Vorstellung von dem entwickelt, was die Protagonisten beim nächsten Zielort erwartet. So gestaltet sich die Fahrt zum Abenteuer, bei dem weniger das Motorrad oder das Motorradfahren im Vordergrund steht. Bei besonderen Strapazen halt, bei Pannen oder wenn die "Cora" ihre Sache mal unerwartet gut gemacht hat. Ihre Prioritäten geben uns heute auch einen Eindruck von dem, was den Jungs nach dem Kriege wichtig war. Es war die Generation der Eltern (der älteren) von uns. Die mit denen wir es nicht immer leicht hatten, wobei Oss Kröher ja als gutes Gewissen einen Platz in der kulturellen Ehrenloge unserer Gesellschaft gefunden hat.
Auffällig ist, dass er aus der Distanz von 45 Jahren weder in den Jargon der Nachkriegsjugend noch in Redensarten, Klugheiten und Betrachtungsgewohnheiten unserer Zeit verfällt. Er beschreibt die Reise fast zeitlos und für den Leser um so intensiver, manchmal so, wie es die geneigte Leseratte von Hermann Hesse kennt, wobei er als Schreiber sich selbst gern auf Karl May und T.E. Lawrence beruft.
Sie starten arm und verunsichert, mit schlechtem Gewissen und bang, was sie als ehemalige deutsche Kriegsteilnehmer in der Welt zu erwarten haben und sind überrascht von der Toleranz und der Hilfsbereitschaft, die ihnen während der ganzen Unternehmung widerfährt.
Eine ganz aussergewöhnliche Reisebeschreibung, kritisch und euphorisch zugleich, abenteuerlich, weil die beiden immer nur für ein paar tausend Kilometer Kleingeld haben und ihnen letztlich doch alles gelingt. Vielleicht auch ein Bisschen Lesestoff für Leute, die noch ein Leben neben dem Motorradfahren haben.

2009 in seiner dritten Auflage erschienen, ist das Buch auch hilfreiche und unterhaltsame Hintergrundinformation zum Verständnis des Orients. Betrachtungen und Einsichten jenseits von Politik, Presse und Scholl-Latour. Mehr als jene: absolut lesenswert.
Auch für Leute, die lieber die kurze Lektüre bevorzugen. Die 660 Seiten sind natürlich kapitelweise ein geteilt.
Gute Fahrt, Gruß
Olaf
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Beitragvon Uwe » 30. April 2011 10:44

..hab grad gestern abend die letzten 50 seiten gelesen :D

Grüsse Uwe 8)

http://forum.dreiradler.org/viewtopic.p ... highlight=
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Beitragvon Stephan » 30. April 2011 10:51

Hab ich im Laufe von 2010 gelesen. Empfehlenswert!!!



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Beitragvon mibi » 30. April 2011 10:58

tolles buch! vor jahren schon gelesen!

gruss
mibi
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Beitragvon BMWKOLLE » 1. Mai 2011 20:56

Hallo zusammen!!

Habe das Buch auch schon vor ein paar Jahren gelesen. Einfach toll!!!
Wenn man bedenkt zu welch einer Zeit die "singend" unterwegs waren und was für ein Gespann das war, hatte bis dato glaub ich auch schon über 20 Jahre abgespult!!!
Das gibt einem zu denken, ob's denn immer das Größte, Schnellste und Neueste sein muß.....
Gruß aus dem Badischen, der mit seinen Jungs ein paar Tage frei hatte...
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Beitragvon klimax » 2. Mai 2011 16:44

Gibts auch als Hörbuch in gekürzter Form
Er ließt selbst und singt.
Ich find es Klasse.
Martin
Auf zwei Rädern unterwegs wenn eins in der Luft hängt
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